Wien 6.5. Judith Butler in Wien

Komme gerade vom Vortrag im Audi Max in der Uni in Wien. Hatte vor einpaar Wochen, da das Thema Gender Anthropologie aktuell wurde, die Bücher „Das Unbehagen der Geschlechter“ von Judith Butler heraus gelegt und „Der Streit um Differenz“ von Butler, Benhabib, Cornell  und Fracer.

Nun freue ich mich sehr, dass ich erfahren hatte, dass sie in Wien live einen Vortrag hält. Ich möchte sie gerne beim Sprechen erleben. Mit der Literatur hatte ich mir etwas schwer getan. War für mich sperrig. Ihre Dekonstruktionen von Geschlecht hatten sich mir nicht so erschlossen. Das Audi Max ist knalle voll. Die BesucherInnen, die keinen Sitzplatz haben, müssen in drei andere Hörsäle gehen und einen Livestreem vom Vortrag anschauen. Ich füge mich und nach einigen Einleitungen spricht Judith Butler über den Todestrieb nach Freud und den Zusammenhang zur Todesstrafe. Ich habe ihr aktuelles  Foto im Web gesehen. Kurzhaarig und freundlich, heiter ist der Eindruck. Sie hält ihren Vortrag auf deutsch. Auch das finde ich sympathisch und erleichtert den Zugang zu diesen schwierigen Thema. Sie erinnert mich - jetzt habe ich´s - an Francoise Sagan.

Ich bin gebannt, obwohl ich schon sehr müde bin bleibe ich noch bis ganz zum Ende. Ihr Exkurs geht von Freud zu Lustprinzip und zu Todestrieb, sie  legt dar, wie das die Philosophen und PsychoanalytikerInnen sehen wie Nietzsche, M. Klein, Derrida und Markuse bis zu Angela Davis. Sie hinterfragt nicht nur die Anhänger der Todesstrafe, sondern auch die Meinungen der GegnerInnen. Butler hinterfragt die Alternative zur Todesstrafe, dass die Gefängnisstrafen keine menschlichen, humanen sind, sondern Grausamkeiten. Dass es  neue Überlegungen zu den Gefängnissen, der Gefägnisindustrie  geben muss. Das klingt höchst ethisch. Wir dürfen es nicht tun, uns nicht über andere stellen und  über ihr Leben und das Leben nehmen entscheiden. Es braucht einen Widerstand gegen das Präkariat.  Wir müssen uns  verpflichten diese Grausamkeiten, auch des langen Gefangenhaltens nicht zu tun. Eine Frau aus dem Publikum zitiert (hab vergessen wen/welche) Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, das Gegenteil ist Ignoranz. Das spiegelt Meinungen des Publikums, dem es an positiven - das Wort Vergebung fällt auch - vergebenden Handlungen gelegen ist.

Judith Butler hatte das dritte Mal einen Vortrag in Wien gehalten. Das meist jugendliche Publikum war begeistert und ging mit großer Anteilnahme mit. Sie wird die Frauen von Pussy Riots in Norwegen treffen.

Ich habe mir Judith Butler anders vorgestellt und spüre eine große Weite, eine Spannbreite von kritischer, politischer Sicht mit einem humanen, den Menschen zugetanen Herzen.

Sulzdorf 2.5.2014 noch weiter zu meinen schamanischen Wurzeln

Am Tisch lieg ein Prospekt von den 20. Rieser Kulturtagen. Aufgeschlagen. Eine Führung auf die IPF, den kultisch keltischen Berg wird angeboten. Syna und ich beschließen hinzufahren. Ich kenne die IPF aus der Zeit mit Ute Schiran vor 20 Jahren. Bin einige Male da gewesen. Mir wird bewußt, dass wir ganz nahe bei Sulzdorf vorbei fahren. So will ich das Haus sehen in dem Ute damals lebte und in dem die Workshops stattfanden. Auf der Fahrt kommen Erinnerungen an die Gegend und ich erinnere mich an die Bäckerei  mit den Weckerln die Seelen und Priegel heißen. Ich weiß wo wir einbiegen müssen, dass wir dann gerade aus fahren müssen und dass das Haus ganz nahe bei der Kirche steht.
Wir fahren auf die Kirche zu und  sehen uns um und ich bin erstaunt, dass ich das Haus nicht gleich wiedererkenne. Es könnte ja sehr modernisiert  worden sein. Wir gehen herum und dann fragen wir danach. Mein vager Gedanke bestätigt sich. Das Haus, obwohl unter Denkmalschutz stehend,  wurde vor einem Jahr abgerissen. Mauerreste, Ziegel, Steine und eine Stiege mit Eisengeländer sind noch vorhanden. Noch ist nicht alles weg. ich konstruiere in Gedanken die Räume. Ich habe den Film von der Ausbildung aus dem Jahr 1992 im Gedächtnis, der  deutlich die Treppe mit der Haustüre und dem schönen Vorraum mit den Steinplatten zeigt. Wir nehmen einen Mauerstein mit. Die  neuen BesitzerInnen haben Akelei, Tulpen und mehr vor die Mauerreste gepflanzt. Eigenartig dieser Leerraum. Später denke ich, dass es auch eigenartig gewesen wäre,  andere Menschen hier zu sehen. Ich tue mir damit etwas schwer. Obwohl Ute aus diesem Haus schon bald nach den ersten Seminaren verlassen hatte  und auf den Rothof mit den Frauen gezogen ist und dann später nach Portugal.  Für mich war diese erste Zeit schon recht einprägsam.

Dann fahren wir weiter zur Ipf. Diese speziell geformte Bergkuppe steht am Rand des Nördlinger Rieses. Hier hat vor Urzeiten, vor 15 Millionen Jahren, ein Meteorit eingeschlagen und Eindruck in Form einer große Fläche und spezieller Energien hinterlassen. In der Ausbildungszeit haben wir die IPF einige Male rituell besucht. Eine Lindenallee mit knorrigen Bäumen führt hoch. Ich hatte hier daamals ein Stück Lindenholz gefunden und daraus, nach Runas Anleitung, ein Schwirrholz geschnitzt. Das harte Lindenholz liegt beim Schwirren schwer in der Hand. Runa war schon sehr krank damals. Ich dufte im Sommer 1993 eine Zeit bei ihr sein und habe dabei  geschnitzt.

Nürnberg 1.5. 2014 Feiern und Film

Fahre nach Nürnberg. Wir gehen in die Innenstadt, folgen der Musik zur ersten Maifeier. Viel Rauch von den Grillständen, nicht von der Bühnenshow, steigt auf. Fleischspiesse, Cevapcici, Koteletts und Gösleme –Flade mit Schafskäse und Kräutern locken. Wie sitzen eingezwängt zwischen einer türkischstämmigen Familie und trinken Ada-Cay. Die kleine Prinzessin bläst in ihre Trillerpfeife, der Bub beißt genussvoll in seinen Nutellapfannkuchen. Vorne  tönt die Band „Knock knock an die Himmelstür“.
Abends gehen wie ins E-Werk, zu den polnischen Filmwochen. 

Der Film „Maria Muss packen“, eine polnisch –österreichische Produktion wird gezeigt. Gleich beim Einstieg springt der Funke der Sympathie zu Maria über. Sie öffnet ihrem Enkel Filipo, mit einem großen Lächeln die Türe. Filipo Malinovski zeichnet im Film die aktuelle sehr schwierige Situation seiner Großeltern auf, die 66 Jahre in dieser Wohnung wohnten und nun ausziehen sollen. Wir sehen Maria und Tadeusz, wie sie mit dieser Situation umgehen und uns aus ihrem Leben erzählen. Ich bin sehr berührt und angeregt. Mich beschäftigt das Thema der Einbettung in die Familie. Denn anscheinend geben auch die Enkel und Kinder den beiden Unterstützung. Maria und Tadeusz  sind Intellektuelle, über 80 Jahre alt und wissen sich zu helfen. Sie können mit dem Computer umgehen und  sich anwältliche Hilfe holen. http://www.soleilfilm.at/mariamusspacken/

Ich frage mich, wie es  Menschen ergeht, deren Bedingen nicht so gut sind, die der Willkür der neoliberalen Gier alleinig ausgesetzt sind.
Welche Verantwortung trage ich, tragen  wir? Der Staat, der Rechtsstaat, hat Verantwortung. Speziell den die existellen Notwendigkeiten wie Wohnung, Gesundheitssystem, Wissensvermittlung, und Wirtschaft so zu organisieren, dass die Mitbürgerinnen in diesem Staat gut leben können. Dass die Rechte und Pflichten verteilt werden, dass alle eine Chance haben.  Doch jede/jeder Einzelne von uns trägt ebenso Verantwortung. Wie ist es mit Mensch, denen es nicht gelingt in einer sozialen Verbindung mit anderen zu sein und von dieser getragen zu werden. In den
späten 70er Jahre bis 80er Jahre mussten/wollten wir, entgegen der vorherigen Generation, uns mit anderen in neuer Weise zusammen tun. Mein Leben war erfüllt von Gruppentätigkeiten. Ich war engagiert in der Schülerschule meiner Tochter. Das war ein Kinder-, Eltern- und LehrerInnenkollektiv. Ich war in intensiver Auseinandersetzung mit den  Kolleginnen meiner Psychotherapieausbildung. Ich war in Freundschaf und Verschwesterlichung mit den  Frauen des Frauenforums Urania verbunden. Ich traf mich mit den Frauen der  Lesegruppe „Frauengeschichte“ und hörte vom Matriarchaten. Ich war im Mütterarbeitskreis und wir demonstrierten am Stephansplatz und an internationalen Frauentagen. In den Jahren danach passierte viel Vereinzelung  und Individualisierung. Neue Orientierung  beruflicher und familiärer Art beschäftigte viele von uns.
Ich denke, dass wir nun die sozialen Kräfte und Verbindungen wieder bestärken müssen. Dass nach einer Zeit, wo es uns so wichtig  war, das Selbst zu bekräftigen, das WIR wieder mehr zu leben ist.

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Hermine Brzobohaty-Theuer | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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